Die Jahre 1948 - 1998
1948 - 1951 | Ernst Roth | |
1951 - 1962 | Othmar Federmutz | |
1964 - 1968 | Werner Stiefel | |
1969 - 1998 | Fritz Roth |
von Inge Müller
Im Jahr 1998 konnte das Nürtinger Kammerorchester auf 50 Jahre seines Bestehens zurückblicken, dies war ein guter Anlaß, zu feiern, aber auch Erinnerungen wachzurufen.
1948 - 1951
Es war im Nachkriegsjahr 1948, daß Ernst Roth, der Vater des heutigen Dirigenten und damals Musiklehrer am Lehrerseminar in Nürtingen, Seminaristen und Schüler, darunter auch seinen Sohn Fritz, zum Musizieren in einem kleinen Streicherensemble um sich versammelte. Dies war die Keimzelle des späteren Nürtinger Kammerorchesters. Mit der Schließung des Lehrerseminars und seiner Verlagerung nach Künzelsau wurde jedoch alsbald dem kleinen Pflänzchen fast der Boden entzogen. Ein Mitglied des Musizierkreises, Othmar M. Federmutz, nahm sich der Aufgabe an, die von Ernst Roth begonnene Arbeit fortzusetzen.
1951 - 1962
Othmar M. Federmutz übernahm das kleine Orchester bereits während seines
Musikstudiums, dessen Schwerpunkt in der Ausbildung im Dirigieren und im
Hauptfach Violine lag. Aus den Konzertprogrammen dieser Zeit entnimmt
man, daß Serenaden und weihnachtliche Konzerte stattfanden: Im Musiksaal
der Ersbergschule, in der Stadtkirche, in der Landbauschule, im
Seminarhof unter der Linde, im Garten des damaligen Krankenhauses aber
auch in den umliegenden Gemeinden. 1956 wurde die Nürtinger Stadthalle
mit ihrem Konzertsaal fertiggestellt, den man damals als großen Gewinn
betrachtete. Die öffentlichen Auftritte des Nürtinger Kammerorchesters
wurden anfangs vom Volksbildungswerk Nürtingen/Land veranstaltet, ab
1953 übernahm der städtische Kulturausschuß die Schirmherrschaft.
In den Konzerten der damaligen Zeit traten zahlreiche junge Nürtinger
Instrumentalisten solistisch auf, die später Berufsmusiker von Rang und
Namen wurden, so Fritz Kommerell (Violoncello), Heidi Meyer (Klavier),
Elisabeth Haußmann (Flöte), Suse Müller (Violine), Anna Maria Stengelin
(Klavier) oder Othmar Federmutz selbst (Violine). Aus dem Tutti wäre
Dora Kommerell (Viola) zu nennen, die bis heute eine tragende Funktion
im Orchester hat. Diese Praxis, jungen Künstlern eine Plattform für
solistische Auftritte zu bieten, setzt das Nürtinger Kammerorchester
bis heute fort.
Aus den vorliegenden Besprechungen dieser Zeit ersieht man die
beglückte, auch begeisterte Aufnahme der Konzerte durch das Nürtinger
Publikum. Auffallend ist, daß neben der "Nürtinger Zeitung"
auch auswärtige Publikationen von diesen Konzerten berichteten, so die
"Neue Württembergische Zeitung" oder die "Stuttgarter
Nachrichten".
So klein das musizierende Ensemble war - eben noch ein richtiges
Kammerorchester- so klein war auch das Repertoire der erarbeiteten
Werke. Man liest in den alten Programmen von Concerti grossi aus der
Barockzeit, kleinen Sinfonien und Instrumentalkonzerten aus der
Vorklassik. Eine Herausforderung bedeutete gewiß die Wiedergabe eines
Brandenburgischen Konzertes von J. S. Bach.
1962 gab es einen Kammermusikabend zum Abschied von Othmar Federmutz,
der bereits Chefdirigent des Göttinger Sinfonieorchesters war und von
da an als O. M. F. Mága die Karriereleiter emporstieg.
1964 - 1968
Nach dem Abschied von Mága suchte das Orchester einen geeigneten Dirigenten, was nicht so recht gelang. Nach gut einem Jahr des Herumprobierens fand sich wieder ein Musikstudent der Lust hatte, Orchesterarbeit zu leisten: Werner Stiefel arbeitete vier Jahre lang von 1964-1968 mit dem Ensemble und setzte die Reihe regelmäßiger Konzerte fort. Ihn zog es bald weiter nach Baden-Baden, doch zuvor sorgte er für einen Nachfolger und bewies darin eine sehr glückliche Hand. Der junge Musiklehrer Fritz Roth aus Stuttgart, dessen Vater 1948 den ersten Spielkreis gegründet hatte, fand bereits nach seiner ersten Probe mit dem Orchester einhellige Zustimmung.
1969 - 1998
Seit 1969 ist nun Fritz Roth der ständige künstlerische Leiter des
Nürtinger Kammerorchesters. In einem Beitrag zu seinem 25-jährigen
Jubiläum in der Nürtinger Zeitung wurden seine musikalischen und
pädagogischen Fähigkeiten eingehend gewürdigt.
In den bald 30 Jahren seines hiesigen Wirkens hat er, außer in den
Ferien, jeden Dienstag fleißig geprobt. Jahrzehntelange Mitgliedschaften
in diesem Klangkörper ermöglichten eine kontinuierliche Steigerung der
Ansprüche an die Orchesterliteratur und wiederum stellte umgekehrt
diese Musik Ansprüche an das instrumentale Können jedes Einzelnen.
Diese Wechselwirkung zwischen Ansprüchen und Fähigkeiten befähigte das
Orchester zu beachtlichen Aufführungen von klassischer, romantischer
und moderner Musik.
Das wöchentliche Proben im Musiksaal der Grund- und Hauptschule
Neckarhausen wird einmal im Jahr unterbrochen von einem
Arbeitswochenende in der "Landesakademie für die musizierende
Jugend" in Ochsenhausen. Das prächtige barocke Kloster mit seinen
festlichen Räumen wirft ein Glanzlicht auch auf Stunden intensiven
Probens. Alle freuen sich auf diese zwar anstrengenden aber schönen
Tage gemeinsamen Musizierens, bieten sie doch den Orchestermitgliedern
nebenbei Gelegenheit, sich besser kennenlernen.
Jedes Jahr gibt das Nürtinger Kammerorchester zwei Konzerte, ein
sinfonisches Konzert im Winter und eine Serenadenmusik im Sommer.
Überdies wurde in den letzten Jahren die Gedenkfeier zum Volkstrauertag
immer mehr von Musik ausgefüllt, so daß eigentlich nun drei Auftritte
im Jahr stattfinden. Zu den Sinfoniekonzerten in der Rudolf Steiner
Schule konnten immer wieder Solisten gewonnen werden, die mit ihrem
glanzvollen Spiel jeweils große Begeisterung hervorriefen. Diese
aufmerksam zu begleiten ist immer eine besondere Herausforderung an
Dirigent und Orchester (siehe hierzu auch die Liste der Solisten).
In der eher heiter gelassenen Atmosphäre warmer Sommerabende wird jungen
Musikern aus dem Orchester oder von außen kommenden jungen Solisten
Gelegenheit zum Konzertieren gegeben. Die ungezwungene Atmosphäre wird
in besonderem Maße geprägt vom Dirigenten Fritz Roth, wenn er aus einem
großen Wissenshintergrund locker plaudernd allerlei Interessantes über
Komponisten und Kompositionen zum Besten gibt. Diese Kommentare zu den
jeweils gespielten Werken werden vom Publikum so geschätzt, daß sie auch
in die sinfonischen Winterkonzerte Eingang fanden.
1992 konnte man erkennen, daß es der öffentlichen Hand zunehmend
schwerfallen wird, Einrichtungen wie das Nürtinger Kammerorchester im
bisher gewohnten Maß zu fördern oder gar steigenden Kosten Rechnung zu
tragen. Daher wurde mit der Stadtverwaltung Nürtingen einvernehmlich
vereinbart, durch Mitglieder des Orchesters einen gemeinnützigen
"Förderverein des Nürtinger Kammerorchesters e.V." zu gründen
und in das Vereinsregister einzutragen. Dies ist im Herbst 1992
geschehen, so daß seither zusätzlich zur großzügigen Förderung durch
die Stadt Nürtingen ein weiterer Weg der Finanzierung des Nürtinger
Kammerorchesters besteht.
Die Vereinsmitglieder helfen zusammen mit den Sponsoren durch ihre
Beiträge und Spenden, die nicht unerheblichen Kosten der Konzerte
mitzutragen. Das Nürtinger Kammerorchester freut sich über jedes neue
Mitglied im Förderverein, das auf diesem Weg einen Beitrag
zur Bewältigung der entstandenen Kosten leisten will und mithilft, die
Eintrittspreise auf einem akzeptablen, familienfreundlichen Niveau zu
halten.
Das Nürtinger Kammerorchester hat sich in den 50 Jahren seines Bestehens
zu einem Liebhaberorchester von herausragender Qualität entwickelt. Dies
hat es gleichermaßen seinen Dirigenten und dem treuen jahrzehntelangen
Einsatz vieler Mitglieder zu verdanken. Bleibt zu hoffen, daß im Wandel
der Zeiten die Liebe zur guten Musik und die Bereitschaft, sich für
deren Verwirklichung einzusetzen, erhalten bleibt.
Inge Müller